Erik Tannhäuser
Book Presentation
Thursday, October 17, 2024, 7pm
On the occasion of the ongoing exhibition in Schlosspark Schönbrunn
Entwicklungen ist eine Installation für die Innenwand des Schlossparks Schönbrunn. Über einen längeren Zeitraum wurde dieses Projekt von Erik Tannhäuser konzipiert und die einzelnen Werke in 2024 realisiert.
21 Tafelbilder in zwei verschiedenen Größen, die allesamt aus demselben Material bestehen bilden den Kern des Werkes: Fuchs, Reier, Fische, Hase, Igel, Taube, Marder (…) so wie Weinblätter, Ahornblätter, Kastanienblätter, Weizen, Kleeblätter und ein verrostetes Ölfassblech. Jedes einzelne Bild für sich entstand in seinem eigenen Zeitprozess, in dem sich durch Zuführen von Wasser und Oxydation ein Bild auf der Oberfläche der Metallplatten bildet.
Der Zeitablauf mit seiner nur bedingten Bestimmbarkeit der Dauer, sowie das Schaffen der Grundlagen, in welcher Form dieser Zeitablauf von Statten gehen soll, sind Teil des Konzeptes. Der Ort in Schönbrunn sowie die Form der Präsentation sind der Wunsch des Künstlers zur Sichtbarmachung seines Projektes.
Erik Tannhäuser führt seine Arbeit mit großer Begeisterung aus: von der Erforschung und Interpretation der Umgebung und den dadurch entstehenden Grundlagen, der Auseinandersetzung mit dem Material, dem Experimentieren und allem voran dem intensiven Arbeitsprozess, in dem der Künstler aufgeht.
In jeder seiner Skulpturen, Installationen und Objekte wird dieser Arbeitsprozess ein unmittelbarer Bestandteil des Resultats, der die Hand und den Gedankengang des Künstlers dokumentieren.
Die Werkserie zu dem Projekt im Wiener Schönbrunn zeichnet nur einen kleinen, aktuellen Teil von Erik Tannhäusers Arbeit, der herausgenommen wurde aus einem komplexen Ganzen. Ließt man die Kommentare des Künstlers zu den Tiertafeln, geht daraus seine kritische Sicht auf die Vorgänge unserer Gegenwart hervor:
„Fuchs, Fische, Hase waren einmal Teil unseres Lebensraumes.
Fuchs und Hase wurden überfahren, die Fische aus dem Wasser gezogen.
…
Und überhaupt haben wir uns entfernt von Pflanzen und Tieren.
Wenn wir Tieren begegnen, dann sind sie meist verpackt, die Verkaufsanregung suggeriert uns, wie glücklich sie waren. Doch das ist ein weiteres Thema“
Überfahrene Tiere, mit denen man nicht nur in Straßen durch Wälder sondern auch in einer Stadt wie Wien konfrontiert wird, sind ein Zeichen des angestiegenen Verkehrs und des reduzierten Rückzugsorts in der Natur. Der Künstler sammelt die Tiere ein und bringt sie in sein Atelier. Indem er sie zu den Protagonisten seiner Bildtafeln macht, gibt er ihnen deren Würde zurück und macht sie unsterblich. Tannhäusers Beschäftigung mit Fisschwärmen und der Massenfischerei geht noch länger zurück und findet in den Bildtafeln mit Fischen aus heimischen Gewässern eine neue Auseinandersetzung.
In der aktuellen, sich für Schönbrunn im Entstehen befindlichen Werkserie zeichnet Tannhäuser ein Panoptikum durch die heimische Flora und Fauna, so wie wir ihr täglich begegnen können - oder sie aufgrund anderer Aufmerksamkeit täglich übersehen. So finden sich auch Kleeblätter, die Blätter von Bäumen, neben Weizen oder einem rostigen Ölfass als Inhalte seiner zweidimensionalen Tafelbilder. Der Künstler spricht von der Seitenansicht als einziger Perspektive, auf die er sich in dieser Werkserie limitiert.
Das spannende an seinem Werk ist mit die Tatsache, dass die Beschäftigung und die Gedankengänge des Künstlers darin zurück verfolgt werden können, dem Betrachter aber nicht vordergründig entgegenkommen. Tannhäuser schreibt weder deren Interpretation vor, noch versucht er deren Raum und Wirkung einzuschränken. Seine Werke sprechen von selber und geben ihrem Betrachter ein breites Feld an Gedanken- und Interpretationsspielraum.
In der Vergangenheit bis heute zeigt Erik Tannhäuser Mut in der Realisierung seiner einzelnen Projekte. Wurde anfangs die Wahl der Orte zur Realisation seiner Werke angesprochen, läßt sich hier sein Talent ableiten, an öffentlichen Plätzen mit spannenden Installationen einen ursprünglich spröden Kunstkontext in das tägliche Leben und Bewusstsein seiner Besucher und Passanten abzuleiten. Mit seinen Rings of Fire (2001) setzt der Bildhauer June Carter und Johnny Cash ein Denkmal. Während der 14. Documenta (2014) in Kassel setzte er eine Fountain Against Torture mit einer eindeutigen Nachricht gegen die Anwendung von Gewalt um. Mit dem Titel 11 Pfeifen realisiert er eine Klangskulptur aus elf ausrangierten Orgelpfeifen der Kirche in Prenzlau, denen er durch einen Kompressor und 10 Bar Pressluft neues Leben einhaucht. Das Portrait von Hartwig zeichnet er mit Rostzeichen in eine Metallplatte und interpretiert den „Rost als Zeichen des Vergänglichen“ (Zitat https://eriktannhaeuser.com/page-11.html)
Kaum hat man ein Projekt erfasst und meint durch das Gesehene auf einen Pfad gelenkt worden zu sein, gibt es ein neues Werk, in dem sich Tannhäuser angefangen von seinen technischen Grundmaterialien aus dem vielseitigen Atelier völlig neu orientiert. Es ist eine lange Reihe von Ausstellungen und Projekten, die Tannhäuser für die Öffentlichkeit umgesetzt hat. Jedes einzelne Werk ist in einem eigenen Material und unterscheidet sich durch dessen Umsetzung von den Gewesenen davor. Der rote Faden durch das Werk läßt sich vielmehr durch die konsequente Haltung des Künstlers und die Perfektion in der Umsetzung der Arbeit ablesen und nachverfolgen und erhebt in dessen Ganzheit den Eindruck einer gewissen Vollständigkeit.
Das Atelier von Erik Tannhäuser im Skulpturengarten Wien ist eine bemerkenswerte Schatzkammer von Geräten, Werkzeugen und Maschinen aller Art. Die Form, wie der Künstler in dem relativ kleinen Raum Ordnung hält, läßt auf seinen Respekt und seine Wertschätzung allen Hilfsmitteln gegenüber schließen, die ihm die Realisierung seiner Werke ermöglichen. Man findet dort unveröffentlichte Arbeiten, Aquarelle und völlig unerwartet: Werke auf der Grundlage elektronischer Technik von den 1990er Jahren bis heute.
Auffallend ist, dass die abgeschlossenen Werke zumeist mit minimalen Kommentaren oder Erklärungen durch den Künstler funktionieren. Anders als bei Kolleginnen und Kollegen, die gerne und detailliert über deren Werk sprechen, ist die Art und Weise wie Erik Tannhäuser seine fertigen Werke den Betrachtern oder der Öffentlichkeit frei gibt: Der Künstler nimmt vielmehr wieder die Rolle des stillen Beobachters ein, wie er das auch zuvor, vor dem Schaffensprozess, während der Ideenfindung getan hat. Die für ihn relevanten Themen und Aussagen sind in seinen Werken präsent und lassen sich durch die Werktitel sowie durch sichtbare Spuren nachvollziehen.
Um zum Abschluss wieder auf die Tafelbilder und deren Protagonisten zurück zu kommen: Die Tatsache, dass er die Tiere in deren Wesen und Schicksal beobachtet, und ihnen durch seine Arbeit deren Würde wieder zurück zu geben sucht, schafft trotz der ursprünglichen Tatsache und dem Ausgangsort der Straße eine positive, achtsame Aura, in denen er den Zeitbegriff und den Fluß des Wassers zur steuernden Kraft im Arbeitsprozess macht.
Text: Alexandra Grimmer